6. PendelMarionettenFestival in Hohebuch
Es war mehr als ein Festival, es war ein Fest. Ein Fest der Kreativität, der Spielfreude, der strahlenden Augen. Zum 6. Mal trafen sich viele glückliche Besitzer von PendelMarionetten – und eifrige Schüler der Puppenschöpfer – in Hohebuch bei Waldenburg und stellten einem großen Publikum ihre bühnenreifen Aufführungen vor. Tatsächlich konnte ich alle Darbietungen sehen, das war ein Schau- und Freu-Marathon.
Eingeleitet wurde das Festival, dessen Veranstalter der neu gegründete Verein KunstForm Marionette e.V. war, von mehreren kleinen Szenen:
Sandra Hohaus spielte eine tänzerische Spiegelszene, erstaunlich fein und präzise für eine „Anfängerin“.
Bernd Öhring ließ einen kleinen Bären in einer Kiste mit Hilfe eines Luftballons fliegen – oh je, ein Luftballon, das konnte nur dramatisch enden.
Monika und Markus Nicolini („Traumraum“) wiesen im Gespräch von Hase und Katze an der Bushaltestelle schon geschickt auf das Abschluss-Stück hin: den „Sängerkrieg der Heidehasen“.
Wolfgang Gerbracht schmuggelte einen Hasen ins Kino, womit der Kleine allerdings überfordert war. Er reagierte entsetzt und schließlich mit einem Pfützchen auf Wolfgangs Schoß.
Und dann am Abend die große Premiere von „Prokofjew in Not“, dargeboten von Marlene Gmelin und Detlef Schmelz, den „Pendels“. Die Not – das war die Schwierigkeit eines schöpferischen Menschen, dem gerade nichts Richtiges einfällt. Alle möglichen Menschen und Tiere stören ihn auch noch in der Konzentration, aber gerade die tauchen nachts in seinem Traum wieder auf und bescheren ihm den ganz großen genialen Einfall. Plötzlich am näch-sten Morgen kann er sie aufschreiben, die Musik zu „Peter und der Wolf“. Und dieses köstliche Märchen erl-ebten wir dann nach einer kurzen Pause. Meisterhaft gespielt mit viel Humor und entzückenden Einfällen. Besonders eindrucksvoll war Detlefs Kampf mit dem ungebärdigen Wolf, wie ein grotesker Tanz. Ja, der Wolf – so grimmig, so furchterregend, aber am Ende würgt und würgt er – und da ist sie wieder, die lebendige Ente! Riesenapplaus mit Rufen und Pfeifen, und der war absolut verdient.
Der Samstag begann sehr ruhig. Kerstin Horn ließ „Die kleine blaue Marionette“ ein großes Buch entdecken. Schon das Buch ist eine wunderbare Schöpfung. Aus jeder pflanzen- und blumenreichen Seite krabbelt ein drolliger Käfer und versucht, den blauen Knaben zu belehren. Da gibt es seltsame weiße Kugeln, das sind Schmetterlingseier, die darf man doch nicht essen! Da kommt wirklich eine Raupe heraus und ergreift die Flucht. Erst auf der letzten Seite wird klar, dass all das die Vorbereitung für den Schmetterling ist. Und da fliegt er dann, der Schwalbenschwanz. Eine kleine Naturkunde mit wenig Text und viel Ruhe.
Marile und Rainer Browarzyk („Ruhpoldinger Fadenspiele“) führten uns in die „Akademie für angewandte Musik“. Dort spielte Prof. Dr. Äolus Brummeisel Beethovens „Für Elise“ auf dem Flügel. Dem jungen Rufus Stups genügte das so nicht, er spielte seine Version auf dem Klavier, rockig, fetzig, frech. Großartig! Leider hat die Aufnahme gerauscht, aber das Vergnügen hat darunter nicht gelitten.
Hans Portmann („Wunderland“) trat ganz anders auf. Er führte Gespräche abwechselnd mit 3 verschiedenen Figuren, mit dem kleinen frechen Max, mit dem alten, ernsten Francois und mit dem kritischen Raben Robin. Lauter einzelne Geschichten wurden erzählt, manche nicht ganz jugendfrei. Das war eher ein kabarettisti-sches Programm, bei dem Hans sich selbst als sehr guten Darsteller und Alleinunterhalter zeigte.
Am Nachmittag gab es ein ausgesprochenes Kinderprogramm. Und es waren viele Kinder da, die das sehr genossen.
„Die Blaue Bühne Marburg“ (Anne und Gernot Kunze, Monika und Jens Steffen) spielten „Die 3 Bären und das Mädchen“, eine Geschichte, in die schon 3-jährige eintauchen können durch die einfache Struktur und die vielen Textwiederholungen. Die besonders fein gesprochen wurden von Gernot. Fein geführt auch die Bären, eine harmonische Familie mit reizenden Spiel-Ideen im Wald. Und wirklich überraschend, wie das kleine einsame Mädchen sich in das kleinste Bären-Bett legt und mit einem Griff die Bettdecke über sich zieht!
Alexander und Tatjana von Stülpnagel („Basilius und Freunde“) spielten das bekannte Kinderbuch „Pass auf mich auf“. Der hoffnungslos behütete und altkluge Juri bringt Herrn Schnippe bei, wie Aufpassen geht. Aber Herr Schnippel hat mehr „Kind“ in sich und besiegt mit seinen tollen, phantasiereichen und total gefährlichen Ideen die Altklugheit des Jungen. Oh ja, morgen will Juri wiederkommen!
Ein Novum für das Marinetten-Festival: Lukas Schneider spielte mit Origami-Figuren. Igel, Rabe und Eichhorn werden total lebendig, und man vergisst ganz die empfindliche Materie Papier. Sogar richtiges Wasser halten die Figuren aus! „Wir drei“ heißt das Stück, mit dem Lukas sein Examen als Puppenspieler in Stuttgart bestand.
Christel Albrecht und Ursula Doll („Zauberfaden“) lassen „Die mutigen Freunde“ Frosch, Hase und Schnecke große Mutproben bestehen. Großartig, wie die Schnecke einen Baum erklettert! Nur die Raupe Willi verweigert die Herausforderung und macht allen klar, dass auch zum „NEIN“-sagen Mut gehört.
Elke Fackler spielte eine liebenswerte Geschichte von Tomte Tumetot. Jedem, der mit dem reizenden kleinen Hausgeist aufgewachsen war, ging das Herz auf. Lukas Schneider las sehr einfühlsam den Text dazu.
Sabine Roth und Rafael Scheu („Best Friends“) hatten eine Geschichte von Janosch „Bär und Vogel“ in eigener liebevoller Weise bearbeitet. In wunderschön gestalteten Bühnenbildern leben die Tiere ihren Sommer und Herbst und müssen im Winter erfahren, wie kalt die Menschen, selbst die Kirchenbesucher, sich von ihrer Not abwenden. Nur ein Kind hat das offene Herz, erbarmt sich, will den Bären wärmen und – erwärmt damit das Herz der gestrengen Großmutter. So muss der Bär – nicht wie bei Janosch – sterben, und das hat alle sehr berührt.
Am Abend dann ein Ereignis: Brigitta und Martin Bosshard („Toggeburger Spiil-Lüüt“) bringen „Pinocchio reloaded“. Brigitta spielt den lebensgroßen Pinocchio, und da stimmt wirklich alles: Bewegungen, Stimme, Frechheit. Martin ist Gepetto, im Äußeren wie im Spiel. Wenn er am Ende Pinocchio auf den Arm nimmt und nach Hause trägt, vergisst man die Marionette. Wenn er ihn auf den Schoß nimmt und ihm die neuen Schuhe anzieht, ist das ein Geschehen von Vater und Kind. Freilich anstelle der bekannten üblen Streiche von Pinocchio gab es eher moralische Überlegungen (Respekt, Anstand, Dankbarkeit, Ehrlichkeit), und selbst der Fuchs trat nicht als Gauner auf, sondern als Weiser. Desungeachtet gab es am Ende nur Begeisterung und Applaus.
Der Sonntagmorgen lockte noch einmal viele Besucher in den Saal.
Die erste Aufführung war „Das Silberklung“ von Edith Nikel („Marionettentheater Zaubervogel“). Silberklung? Nun, das ist ein Zauberwesen, das alles Ungute, Schwierige, Schlechte zum Guten wenden kann – könnte! Wenn nicht die böse Macht der Spinne Arssena die Silbertöne verstumme ließe. Eigentlich erkennt nur der Rabe Till, wie bedroht die Wiese ist. Rettung weiß er nicht. Aber es gibt sie! Durch unschuldige Wesen, den kleinen Moritz , den kleinen Hasen Flauschi. Am Ende hören alle wieder die Silbertöne, die Spinne mit ihrer bösen Absicht ist erledigt. Ganz große Freude beim Raben Till und dem kleinen Vogel Piri. Das sind viele Figuren, viele Stimmen, und dafür gab es viel Applaus.
Danach führten Elisabeth Schnorr, Gilda Gold und Mirjam Interthal („Theater Löwenzahn“) die Geschichte vor, „Wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen“. Ein wunderbares Kinderstück! Wie der kleine Hase es fertig bringt, nicht gefressen zu werden. Wie er mit einem vielstrophigen Nachtlied den Fuchs selbst zum Einschlafen bringt. Und auf keinen Fall zulässt, dass die Eltern den Fuchs mit einem Nudelholz erschlagen, weil doch hier der Ort ist an dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Einfach schön!
Catherine Cunz („Cagibi“) trat wieder mit ihrer ganz besonders feinen Spielweise in Erscheinung. „Harmonikas Klänge„ führten einen Jüngling auf den Weg zu seiner verschwundenen Zwillingsschwester, die wiederum ein Ungeheuer verfolgte, das ihre Seelenblume geraubt hatte. Hier stimmt wirklich jede kleinste Bewegung. Wenn der Jüngling seine Mundharmonika spielt, während Catherine wirklich spielt, abgewandt, sie kann ihn nicht sehen, bewegt er sich absolut echt, zeigt mit kleinen Kopfbewegungen genau, wie er sein Instrument spielt. Gut, dass auch hier der Humor eine Nische findet: eine Kaffeekanne und eine Teekanne kommen deckel-klappernd und wollen nicht auf dem Müll landen. Eine Geschichte mit viel zartem Zauber.
Und dann das große Finale: „Der Sängerkrieg der Heidehasen“. Viele Mitspieler mussten sich immer wieder treffen, um dieses Gemeinschaftsstück auf die Bühne zu bringen. Es hat sich gelohnt! Es war ein Spiel von phantastischer Lebendigkeit, das mit enormem Engagement erarbeitet und ausgeführt wurde. Vor der Bühne die köstlichen Moritatensänger Brigitta und Martin Bosshard mit ihrer Drehorgel. Einen schöneren Abschluss für ein Festival kann man sich nicht vorstellen.
A a a a a b e r – da waren ja noch die Taschenlampenführungen im Gewölbekeller. Die zu vergessen wäre schändlich. So viele kleine reizvolle Szenen unter dem Motto „Träume“ erinnerten die Menschen daran, dass es nicht nur eine digitale Welt und nicht nur das Diktat der Banken gibt.
Damit beschenkte uns das Marionetten-Festival von KunstForm Marionette 2018.
Edith Nikel